Das bedrohte Subjekt

Meine Lichtobjekte sind eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen für ein glückliches Dasein des Menschen. Arthur Schopenhauer verneint die Möglichkeit eines glücklichen Daseins, solange die Welt ist, wie sie ist.¹ Der Mensch will zwar glücklich sein, er weiß aber nicht, wie er das bewerkstelligen soll. Es entstehen deshalb Wünsche, Träume und Fantasien. Diesem Grundbestreben des Menschen kommt die gegenwärtige mediale Entwicklung entgegen. Sie vermittelt uns Freiheit, Offenheit, Leichtigkeit, Grenzüberschreitung und Befreiung von unserer Körperlichkeit und ermöglicht gleich einer Droge die permanente Stimulation unserer Sinne.
Vilém Flusser verspricht gar eine mediale Entwicklung, die zu einem Orgasmus² im Gehirn führt Glück ist somit eine Frage des technischen Fortschrittes. Die Vorherrschaft dieser Vorstellung führt zur Unterwerfung anderer Kulturen, die diesem Glücksversprechen nichts abgewinnen können. Diese moderne, technologisch hoch entwickelte Gesellschaft ist aber erst dann vollkommen, wenn das letzte Tabu gebrochen wird - der Mensch als unverfügbares Wesen. Erst wenn der Mensch als unantastbares Subjekt aufhört zu existieren, erst wenn er zum veränderbaren Objekt wird, ist alles möglich. Erst dann hat diese Gesellschaft die größtmögliche Offenheit und alle kreativen Möglichkeiten, den Menschen neu zu entwickeln. Die Entwicklung gelangt zu einem seltsamen Wendepunkt: DIie offene Gesellschaft unterwirft das Objekt Mensch. Sie verkehrt sich in ihr Gegenteil. Ohne Subjektivität wird der Mensch zu einem Bestandteil eines sinnentleerten Getriebes degradiert.
Dieser Entwicklung mit Eigendynamik, die nicht nach dem Warum und Wohin fragt, setze ich ruhige und an sich klar geordnete Bilder entgegen. Wo sie dennoch verschwommen sind, nämlich im Inneren des Objektes, geht es um den nicht fassbaren Kern des Menschen, der von seiner Auflösung bedroht wird. Die Objekte stellen so ein Innen dem Außen gegenüber, eine Innenwelt der Außenwelt, die Substanz des Lebens der sinnentleerten Betriebsamkeit. Die Bilder widersetzen sich dem Verlust des Ichs, der geschlossenen einheitlichen Identität, die mit dem "Verlust von Tiefe" als Folge der Auflösung der "Innen/Außen"-Dimension³ einhergeht.

Hermann Präg, 2004



01   Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I, Drittes Buch, § 38.
02   Vilèm Flusser, Ins Universum der technischen Bilder, 1990.
03   Ihab Hassan, Postmoderne heute, in: Welsch, Wolfgang (Hg.): Wege aus der Moderne. 1988, S. 47 - 56
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